Brand-Erbisdorf

Um 1900 gab es in der Stadt laute Proteste: Der Sächsische Landtag hatte den Ausstieg aus dem unrentabel gewordenen Silberbergbau beschlossen. Doch von dem lebten viele Menschen nach wie vor. Brand-Erbisdorf, wo ein Viertel des sächsischen Silbers herkommt, wurde dadurch von der Bergarbeiter- zur Industriestadt, die sie bis heute ist.

Auf den Tafeln des Annaberger Bergaltars von 1522 sieht man die typischen Zyklen der damaligen Erzgewinnung und -verarbeitung: Erschließung neuer Bergwerke, Abbau und Zerkleinerung des Erzes, Auswaschen des Silbers, Verhüttung, Münzprägung.

Das Gebiet um das heutige Brand-Erbisdorf wurde nach 1150 gerodet. Auch wenn Urkunden fehlen, ist anzunehmen, dass Erbisdorf das gleiche Alter hat wie die umliegenden Ortschaften. Die Siedlungen waren reine Bauerndörfer, die Siedler wohl fränkischen Ursprungs. 1209 wird Erbisdorf als Erlwinesberg erstmals erwähnt. Die ursprüngliche Dorfanlage erstreckte sich auf einer Länge von zwei Kilometer am Dorfbach entlang in einer Höhe von 450 bis 500 Metern.

Zwischen 1200 und 1250 erreichte der sich von Freiberg ausbreitende Silberbergbau die Erbisdorfer Flur und eine bergmännische Siedlung im Gebiet des heutigen Stadtzentrums entstand, wie archäologische Funde beweisen. Der Bergbau wurde für viele Jahrhunderte zur Haupterwerbsquelle der Bewohner.

Im 14. Jahrhundert erlebte der Brander Bergbau seine erste Blütezeit. Im 15. Jahrhundert erfolgte ein Niedergang des Bergbaus infolge technischer Probleme. Ab 1500 nahm der Bergbau wieder einen Aufschwung – die zweite, rund ein Jahrhundert dauernde Blütezeit begann. Die bergmännische Streusiedlung wurde 1515 durch Herzog Georg den Bärtigen zur Gemeinde Brand erhoben. Teilweise mit Rechten einer Bergstadt versehen, war es doch keine Stadt im damaligen Sinne. Nun begann die über 300-jährige Entwicklung zur vollwertigen Stadt.

Im 14. Jahrhundert erlebte der Bergbau im heutigen Brand-Erbisdorf seine erste Blütezeit.

Das Recht zu einem wöchentlichen Brot- und Viktualienmarkt wurde 1620 erlassen. 1631 bis 1648 wurde Sachsen von den Kampfhandlungen im Dreißigjährigen Krieg betroffen. Wiederholte Plünderungen und Misshandlungen der Bevölkerung, Hungersnöte und Krankheiten dezimierten die Einwohnerzahl und der Bergbau als Haupterwerbsquelle kam fast zum Erliegen. Der Siebenjährige Krieg brachte erneut unerträgliches Elend für die Bewohner. Brand hatte Zahlungen und Kontributionen in Höhe von 23 300 Talern zu leisten. Dabei hatte die Gemeinde etwa 800 Einwohner, die Hälfte davon Kinder. Das letzte Gefecht des Krieges wurde auf unseren Fluren ausgetragen. Nach dem Krieg erfolgte eine Reorganisation des Bergbaus. Infolge verbesserter Organisation, Betriebswasserversorgung und technischer Neuerungen wurde das Silberausbringen erheblich gesteigert.

Die Reformation erreichte Erbisdorf 1539: Der Ort wurde evangelisch.

Auch in den Napoleonischen Kriegen 1806 bis 1814 mussten Brand und Erbisdorf viele Zahlungen und Einquartierungen erdulden. Bis zu dieser Zeit hatten die Einwohner fast nur vom Bergbau gelebt. Allmählich siedelten sich auch andere Gewerke an. 1834 wurde Brand mit seinen 2087 Einwohnern zur Stadt erhoben. Erster Bürgermeister war der Kaufmann August Christian Jauchius. Im Revolutionsjahr 1848 legte der Stadtrat aufgrund der politischen Ereignisse seine Funktion nieder. Eine Volksbewaffnung wurde angeordnet und eine Kommunalgarde gegründet. Zur Unterdrückung des Aufstandes war zeitweilig preußisches Militär in Brand einquartiert.

1856 eröffneten das Amtsgericht und die Post, zwei Jahre später die Sparkasse. Mit der Abschaffung der Silberwährung im Deutschen Reich 1873 wurde Silber ein bloßes Handelsmetall und ein Preisverfall setzte ein. Um drohende Grubenschließungen zu verhindern, wurden die Gruben 1886 verstaatlicht und mit deren Modernisierung begonnen. 1890 erhielten beide Orte einen Bahnanschluss. Trotzdem verlor der Bergbau an Bedeutung und Ersatzarbeitsplätze mussten geschaffen werden.

1900 beschloss der Sächsische Landtag den planmäßigen Ausstieg aus dem Silberbergbau bis 1913. Bis dahin hatte der Brander Bergbau 1500 Tonnen Silber geliefert – ein Viertel der gesamten sächsischen Produktion.

Der Mordprozess gegen Grete Beier, die Tochter des Brander Bürgermeisters, und ihre öffentliche Hinrichtung am Freiberger Amtsgericht sorgten 1908 für weltweites Aufsehen. Grete Beier war die letzte Frau, die im Königreich Sachsen öffentlich hingerichtet wurde.

Die öffentliche Hinrichtung der Tochter des Brander Bürgermeisters im Hinterhof des Freiberger Amtsgerichtes sorgte 1908 für weltweites Aufsehen.

Am 1. April 1912 waren Brand und Erbisdorf auf Anordnung vereinigt worden. Die weitere Industrialisierung machte dies notwendig. Der Wandel von der Berg- zur Industriestadt war innerhalb kurzer Zeit gelungen. So gab es neben klein- und mittelständigen Unternehmen eine Möbelfabrik, vier Glashütten und ein Automobilwerk. Auch die bekannte Odolflasche kam damals aus Brand-Erbisdorf. Im Ersten Weltkrieg hatte die Stadt 208 Gefallene und Vermisste zu beklagen.

Unter dem Namen Elite verkaufte die Elite-Werke AG zwischen 1913 und 1929 Fahrzeuge,
die in Brand-Erbisdorf gebaut wurden.

Hart getroffen wurde die Stadt von der Weltwirtschaftskrise. 1300 von 1600 Arbeitnehmern verloren ihren Arbeitsplatz. Die Stadt arbeitete verzweifelt daran, die Situation zu ändern. 1939 produzierten dann 20 Fabriken, zum großen Teil für die Rüstung. Die Stadt blieb bis auf die letzten Kriegsmonate vom Kriegsgeschehen unberührt. Insgesamt hatten die Einwohner rund 250 Opfer zu beklagen.

Einen großen Schub für die Entwicklung der Stadt brachte die Ernennung zur Kreisstadt 1952. Das industrielle Profil wurde von den beiden Großbetrieben NARVA und dem Press- und Schmiedewerk bestimmt. In den 70er und 80er Jahren wurden auf dem Kuhberg und im Goldbachtal Neubaugebiete als Großplattensiedlungen angelegt.

Im Industriegebiet Nord produziert die NARVA Lichtquellen GmbH seit Jahrzehnten Leuchtstofflampen.

1990 kam es mit der Wende zur Wahl eines neuen demokratischen Stadtparlamentes. Größte Probleme waren in der Nachwendezeit der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Inzwischen hat sich Brand-Erbisdorf als Industriestadt mit hoher Arbeitsplatzdichte und Diversität etabliert.

1993 erfolgten die Eingemeindungen von St. Michaelis, Linda und Himmelsfürst. Zur 800-Jahr-Feier 1994 konnten folgende Projekte abgeschlossen werden: Bau eines Feuerwehrdepots, Bau der Bergstadthalle, Neugestaltung des Marktplatzes, Inbetriebnahme der Kläranlage in St. Michaelis und Wiedereinrichten der Bergglocke auf der Brander Schule.

1997 wurde der 43 Millionen DM teure Gymnasiumsneubau für etwa 1 000 Schüler eingeweiht.

Nach umfangreicher Rekonstruktion erfolgte 1999 die Neueröffnung des Museums Huthaus Einigkeit, in dem sich der Besucher umfangreich über die Geschichte von Brand-Erbisdorf und seines Bergbaus informieren kann. Die Bergbaugeschichte wird auf dem Bergbaulehrpfad, der rund um Brand-Erbisdorf führt, wieder lebendig, denn man kann fast 100 Einzelobjekte zu Fuß erkunden. Die Gesamtlänge aller Teilabschnitte beträgt ca. 40 km.

Sehr sehenswert ist die 1995 restaurierte Bergbauschauanlage Bartholomäusschacht. Hier kann der Besucher hautnah mittelalterliche Fördertechnik selbst bedienen und mehrere Meter tief in den Schacht einfahren. Im Sommer kann man sich im Naturbad Erzengler Teich erholen. Mitten im Wald gelegen, gehört der 450 Jahre alte Teich zum System der Bergmännischen Wasserwirtschaft.

Weitere interessante Zeugen des Bergbaus sind: das Buttermilchtor, das 1821 erbaut als Kunstgrabenaquädukt diente, der Thelersberger Stolln im Stadtteil Linda, der nach Voranmeldung im Stadtmuseum besichtigt werden kann, sowie das besterhaltene Ensemble bergmännischer Gebäude auf der am östlichen Stadtrand gelegenen Zugspitze mit dem restaurierten Zechenhaus Alte Mordgrube und dem Gelände des Menden-Kunst- und Treibeschachtes.

Schmiede und Bethaus des früheren Bergwerks Alte Mordgrube: Dank der Initiative des heutigen Besitzers wurden alle Gebäude sowie das gesamte historische Gelände denkmalschutzgerecht saniert.

Beim Rundgang durch dieses Gelände entdeckt der Besucher alle (!) Gebäude, die einst zu einer Grube gehörten: Treibehaus, Huthaus, Material- und Bethaus, Bergschmiede und Wasserhebehaus sowie weitere Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Wohngebäude, die den historischen Bereich als Gartenstadt entstehen ließen.

Auch das alte Kohlenhaus wurde saniert und zum Wohnhaus umgebaut.
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